Der Dirigent

(Zitate aus CLARINO 10/2012

„Dirigieren ist die Kunst zu wissen, wann man das Orchester nicht stören soll“, wusste schon der große Herbert von Karajan. Fragt man die Maestros am Pult, was einen guten Dirigenten ausmacht, erhält man so einige Antworten: Talent, Energie, Autorität, Idealismus, Sensibilität, Ideen, Interpretation, Begeisterungsfähigkeit, Fantasie, Visionen, Mut. Dirigenten brauchen Kommunikationsfreude, Teamfähigkeit, Offenheit gegenüber Neuem, Menschenliebe. Am Pult sollte man motivierend, inspirierend, schnell denkend agieren, Ahnung von Psychologie haben, über soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz verfügen. Das Wichtigste: Ein guter Dirigent vertraut seinen Musikern und seinem Orchester voll und ganz und weiß, wann er im Konzert »loslassen« kann.

Teamplayer oder des Orchesters General?

Wie muss ein Dirigent sein? Streng oder ein lockerer Kumpeltyp? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Als er einst Zeuge eines Dirigats von Richard Wagner wurde, äußerte er sich beeindruckt: »Hier können Sie sehen, was ein guter General mit seiner Armee imstande ist zu leisten.« Diese Meinung von Kaiser Wilhelm I. herrscht auch heute bisweilen noch vor: Der Dirigent als allmächtiger Herrscher. Wie sieht das heute aus – und vor allem: Wie sehen das die Dirigenten selbst? Wir haben uns umgehört.
Ein Dirigent sagt, wo’s langgeht im Orchester. Das belegt allein schon das dem Lateinischen entlehnte Wort. Lenken, bestimmen, steuern – weiß das Wörterbuch. Und damit ist die Bestimmung eines Dirigenten eigentlich schon klar. Was damit noch lange nicht klar ist, wie ein Dirigent seine Führungsrolle auslegt bzw. auslegen sollte, welche Aufgaben damit verbunden sind und welches Verhältnis zu den Musikern sinnvoll ist. Die Beziehung Dirigent – Orchester besaß immer schon Krisenpotenzial. Vor allem unter manch großem Maestro gehörten Animositäten, Spannungen, Katastrophen zum Alltag: Toscanini brüllte und warf Musikern Taktstöcke an den Kopf. Karajan überwarf sich am Ende völlig mit den Berliner Philharmonikern, Carlos Kleiber war die wandelnde Reizbarkeit, ebenso der empfindliche Sergiu Celibidache. Daniel Barenboim oder Sir Simon Rattle hingegen stehen für harmonisches Orchesterleben. Und übrigens: Wer meint, als »Generalmusikdirektor« müsse er besonders scharf agieren und den Feldherrn geben, verkennt die ursprüngliche Bedeutung von »general«. »Generalis« heißt im Lateinischen nichts anderes als »allgemein«.

Der Dirigent: Magier – Primus inter Pares – Zuchtmeister – Orchestererzieher?

Dirigent zu werden, setzt eine große Musikalität voraus, gepaart mit profundem musikologischem Wissen. Heute möchte ich in meinem Aufsatz über die Rolle des Dirigenten nachsinnen, der je mehr an Bedeutung gewinnt, desto komplizierter die Partituren werden, die moderne Bläserorchester zu gestalten sich vornehmen. Meine Überlegungen zu dem Thema fußen einmal auf den Jahrzehntelangen Erfahrungen als Orchestermusiker mit führenden Dirigenten der Zeit und zum anderen auf den Erkenntnissen als Orchesterleiter, zuletzt der Mannheimer Bläserphilharmonie und der Dresdner Bläserphilharmonie. Bewusst verzichte ich bei meinen Ausführungen auf das dirigiertechnisch Handwerkliche unseres Tuns, sondern beleuchte die Rolle des Dirigenten als Gestalter und Koordinator eines Gesamtkunstwerks.
Fragt man die Musiker eines Orchesters nach ihrem Idealbild eines Dirigenten, wird man so viele Meinungen erhalten wie Musiker im Orchester sitzen. Dabei bildet sich jedoch immer schnell ein Meinungstrend heraus: Hat man einen übermäßig strengen Dirigenten vor sich, wie zum Beispiel Karl Böhm einer war, wünscht man sich mehr musikalische Mitsprache, steht ein sogenannter »Vielleicht«-Künstler vor einem, der »demokratische« Indifferenz favorisiert, um seine scheinbare Beliebtheit bei den Musikern nicht zu gefährden, sehnt man sich nach klarer musikalischer Ansage und Ordnung, ist der Dirigent ein viel redender, pedantisch-krümeliger Orchesterlehrer, möchte man sich begeistert dem beglückenden Sog des großen Spontangestalters hingeben. Sie sehen, meine verehrten Leser, dass es den idealen Dirigenten nicht gibt. Seine Funktion korreliert immer mit den künstlerischen Voraussetzungen und Zielen des Orchesters, dem er vorsteht. Diese sind speziell im Amateurbereich die Hinführung der Ausführenden zu einem »wissenden, denkenden, fühlenden« Umgang (Siegfried Bimberg, »Handbuch der Chorleitung«) mit einem Gesamtkunstwerk und seiner instrumentenspezifischen Klangrealisierung.

Der Dirigent als Typus – ein nicht ganz ernsthaftes Porträt

Jeder Dirigent ist enorm stolz auf die heroische Art, wie er den Oberkörper vor- und zurückwirft, und dieses total Beethoven-mäßige Kopfschütteln. Er ist der Diktator am Taktstock. Er bestimmt Repertoire, Dynamik, Tempo. Absoluter Herrscher, kommandierender General: Das ist die Lebensrolle des Dirigenten. Und das Schicksal hat ihn dazu bestimmt.
Dirigenten werden grundsätzlich im Sternzeichen des Löwen geboren. Bühne, Rampenlicht und Publikum ziehen sie daher magisch an. Von klein auf leben sie in dem sicheren Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein: von überlegener Majestät, von unübertroffener Strahlkraft, von unwiderstehlichem Charisma. Beruflicher Erfolg und die Statussymbole des materiellen Lebens sind für einen Dirigenten keine erstrebenswerten Ziele, sondern naturgegebene Selbstverständlichkeiten. Dabei lässt der Dirigent aber auch sein Orchester hin und wieder am Glanz seiner herausragenden Leistung teilhaben. Er sagt dann laut: »Ich bin stolz auf diese Musiker«, meint aber eigentlich: »Ich bin stolz darauf, was ich aus diesen Musikern gemacht habe.«

(Zitate aus CLARINO 9/2013)

Der Dirigent – Sprechen ohne zu reden (von Stefan Fritzen)

So wie jeder Instrumentalist sein musikalisches Wollen in differenzierte, nur durch Übung zu erlernende Bewegungen umzusetzen gezwungen ist, muss auch ein Dirigent über enorme handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten bei der Führung eines Orchesters verfügen. Diese sind im Gegensatz zur verstehenden Musikalität weitgehend erlernbar und bedürfen genauso intensiver feinmotorischer Bewegungsübungen wie das Instrumentalspiel. Das Handicap des Dirigenten bleibt jedoch immer, dass komplexe musikalische Sinnzusammenhänge nur sehr unvollkommen in gestische Bewegungen umgesetzt werden können, wenn er sich nicht, wie Loriot bei den Berliner Philharmonikern, zum Spaßmacher für Musiker und Publikum machen will. Hinzu kommt, dass der Dirigent über das bloße strukturierende Taktieren hinaus bei allen Ausführenden eine geistige Spannung erzeugen muss, die das Werk in größtmöglicher Verdichtung zum Klingen bringt.

Tritt ein Dirigent auf das Podium, muss seine Haltung Sicherheit und Gelöstheit ausstrahlen und sich seine Souveränität auf die Musiker übertragen. Die ideale Körperhaltung ist die Wirbelsäulenstreckhaltung. Dabei steht der Dirigent elastisch auf beiden leicht gespreizten Beinen, Kopf und Oberkörper bleiben aufgerichtet und der Schwerpunkt des Körpers liegt in seiner Längsachse. Eine lässige Dauerstellung auf einem Standbein ist unvorteilhaft, da diese Grundhaltung auch den ungehinderten Gebrauch beider Arme erschwert und über einen längeren Zeitraum beim Dirigieren zu erheblichen Verspannungen und Schmerzen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule führt.

Der Schlagzeuger – Heimlicher Dirigent des Orchesters? (von Katja Klosen)

Schlagzeuger müssen so einiges einstecken. Da wird ein Orchester gerne einmal in Musiker und Schlagzeuger unterteilt, regelmäßig werden Machtkämpfe zwischen Dirigent und Schlagzeuger ausgetragen, wer denn jetzt eigentlich das Tempo bestimmt. Wie man als Dirigent die Mitmusiker aus der hinteren Reihe dennoch bei Laune hält und dem oft vorherrschenden Schlagzeugermangel im Blasorchester beikommt, verrät Instrumentalpädagoge, Schlagzeuger und Dirigent Holger Koppitz im Interview.
CLARINO: Sind Schlagzeuger eine zu Unrecht oft verkannte »Musiker-Spezies«?
Holger Koppitz: Ja und nein! Ja, weil erfahrungsgemäß in vielen Blasorchestern immer noch versucht wird, diejenigen Musiker, die auf einem Blasinstrument einfach nicht zurechtkommen, auf Schlagzeug umzuschulen, auch schon während der In¬strumentalausbildung. Getreu dem Motto: »Draufhauen kann schließlich jeder«. Und bevor ein Orchestermitglied ganz verlorengeht, wird auch diese Möglichkeit ausgeschöpft. Dieses »Konzept« kann funktionieren. Ich habe als Schlagzeuglehrer und Dirigent mit solchen Musikern aber meistens negative Erfahrungen gemacht. Nein, weil ein nachhaltig arbeitendes Blasorchester und ein intelligenter Dirigent wissen, dass sie von guten und gut ausgebildeten Schlagzeugern dauerhaft profitieren. Sowohl klanglich wie auch musikalisch. Denn: »Mit der Qualität der Schlagzeuger steht und fällt die Qualität des gesamten Orchesters.«

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